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Argentinien 1.0 bzw. Chile 2.0
Nachdem Chile 2014 als Gesamttour ja ein gelungenes Experiment zwischen Abenteuer und Entspannung war, sollte es diesmal ruhig etwas abenteuerlicher werden.
Und Argentinien schien dazu beste Voraussetzungen zu bieten.
Beim Blick auf die Karte wird schnell klar, dass dort die Entfernungen noch größer, die Landschaften noch spektakulärer, die Straßen noch einsamer werden. Noch dazu fuhren wir in der argentinischen Regenzeit und es gab genug Bilder von überfluteten Straßen im Internet, mal sehen wie sich das entwickeln würde.
Wer aber jetzt denkt, wir beide wären auf der Suche nach den großen Abenteuern auf den Straßen Südamerikas gewesen und könnten jetzt tolle und spannende Geschichten erzählen, den müssen wir enttäuschen.
Wir wollten Unbekanntes sehen und erleben, aber nicht erleiden und deshalb war unsere Reise auch immer ein Grenzgang zwischen dem Einlassen auf unvertrautes Terrain und dem Versuch, sich nicht gänzlich dem Schicksal auszuliefern.
Die Grenzen unserer Möglichkeiten wurden uns jedoch bereits in den ersten Stunden im Stadtverkehr von Santiago aufgezeigt: Ein kurzer Ausflug in die Berge hinter Santiago, dann die Rückfahrt ins Hostel.Unerwartet tauchen hinter einem Auto ein paar gröbere Schlaglöcher auf, wir treffen das Allertiefste, ein ziemlicher Schlag geht durch das Motorrad, wir rollen mit hässlichen Geräuschen am Straßenrand aus.
Der hintere Reifen ist vollständig platt, aber das Problem ist noch wesentlich größer.
Die hintere Felge ist stark verbogen, kann den Reifen nicht mehr abdichten. Zu Hause in Deutschland definitiv ein Fall für den Altmetallverwerter. Die vordere Felge ist nur verbogen, zwar auch erheblich, aber immerhin hält dort noch die Luft.
Für den Nichttechniker sei hier auf folgendes hingewiesen: Moderne Motorräder haben wie Autos keine Schläuche mehr, die Reifen dichten gegen die Felgen ab, oder wie in unserem Fall: dichten eben nicht mehr ab. Und da kann auch ein Reifenhändler nicht weiterhelfen, das Problem ist die Felge.
Ein herber Schlag, noch am ersten Tag, wir sind noch in der Hauptstadt von Chile und sind bereits auf fremde Hilfe angewiesen.
Wir rufen Tomas von Ride-Chile, unseren Vermieter von Sancho zu Hilfe. Praktisch immerhin, wir sind ja nur wenige Kilometer von Sanchos Garage gestrandet. Mit Dichtmittel und Pannenspray bekommen wir Sancho zumindest jeweils für Minuten fahrfähig, rollen von Tankstelle zu Tankstelle durch Santiago um jeweils wieder Luft in den Reifen zu bekommen und bringen so Sancho wieder nach Hause.
Mike und Tomas gingen das Problem sehr robust an, was im Nachhinein auch die einzig mögliche Lösung war. Ein Tausch der beschädigten Felgen wäre nicht möglich gewesen, also wurde so gut wie möglich repariert. Das Hinterrad wurde ausgebaut, per Flammenwerfer erhitzt, mit einem schweren Schwinghammer zurechtgedengelt….
Letztlich war irgendwann ein rückverformter Zustand erreicht, der die Luft wieder im Reifen ließ.
Aber es ist ein enormer Unterschied,ob ein Reifen ohne Last in der Werkstatt seine Luft behält oder ob er das auch tut wenn er unter ständigen Stößen bei voller Last auf schlechten Straßen in den Anden malträtiert wird. In unserem Fall tat er das leider nicht immer.
Und so fuhren wir also von Chile über die Anden nach Argentinien und waren immer von einem Gefühl der Unsicherheit begleitet ob Sancho durchhalten würde. Schnell stellten wir fest das Entfernungen von 300 km bis zur nächsten Tankstelle durchaus normal waren. Genauso normal wie die Tatsache, dass nicht alle Tankstellen immer Benzin haben oder Luft für unsere Reifen. Und wir durften erfahren, dass eine "Umleitung" in Argentinien mal locker 200 km sein kann.
Immerhin erwies sich die Sorge, dass die Regenzeit uns vielleicht mal die Weiterfahrt erschweren oder unmöglich machen würde als unnötig. In dieser Beziehung hatten wir Glück, einen kleinen Regenschauer gab es, sonst war es trocken, zwar hatten wir diverse Male den Spaß geflutete Furten durchqueren zu dürfen aber zumindest bei mir war der Funfaktor hier größer als die Bedenken….;-) die Wasserdurchfahrten hätten noch tiefer und länger sein können.
Aber insgesamt wurde uns irgendwann doch etwas mulmig, wir kamen uns manchmal doch sehr klein und reichlich verletzlich vor. Die einzigen anderen Motorradfahrer die wir trafen, ein paar Franzosen denen wir mehrfach begegneten, sahen wir ein letztes Mal in Salta bei einem Krankenhaus, offenbar hatte sich einer beim Umkippen oder einem Sturz den Fuß gebrochen, und ihr Trip war damit zu Ende. Zwei Tage später misslang unser Versuch endgültig Sancho mit Hilfe von Werkstätten dauerhaft seine Luftinkontinenz auszutreiben. Dafür waren wir dann anschließend mit diversen Reifendichtsprays, einem Ersatzschlauch und einer Luftpumpe ausgerüstet. Einen Teil der Ausrüstung konnten wir einige Tage auch erfolgreich einsetzen ;-).
Und so beschlossen wir mit 3 gegen 0 Stimmen (ja, auch Sancho wollte nach Hause) unser Argentinienabenteuer zugunsten einer relativ entspannten Rückfahrt über Chile abzubrechen. Ein großes Argument für diese Variante war aber auch die Aussicht auf die Fahrt über den Paso Jama, den einzigen durchgehend asphaltierten Pass in Nordargentinien nach Chile, einer spektakulären Landschaft mit Salzseen und Straßenhöhen die sich ständig zwischen 4000 und 4800 m bewegten.
Ute behauptet standfest der ständige Luftmangel wäre dafür verantwortlich dass wir da oben ständig völlig unerklärlich ständig vor uns hin kicherten, aber vielleicht waren wir einfach nur gut drauf…
Man könnte sagen, dass dieses Schlagloch in Santiago unsere Tour schon nachhaltig beeinflusst und eingebremst hat. Wir waren danach sehr bemüht immer absolut sicher anzukommen und gingen den Abenteuern so gut wie möglich aus dem Weg.
Aber wir sind auch sicher und gesund wieder in Santiago angekommen, haben viel gesehen und freuen uns das alles erlebt zu haben. Und so war unser Pech am Anfang "relativ".
Wie klein wir tatsächlich sind, wurde uns dann noch einmal hinterher aufgezeigt als zwei Wochen später die Region Atacama von Unwettern heimgesucht wurde und viele bekannte Orte und Plätze stark verwüstet wurden. Mehrere Menschen kamen in den Wasserfluten ums Leben.
Also sind wir von Herzen dankbar für unsere Erlebnisse und froh das alles unternommen zu haben. Die Erinnerungen bleiben ;-)
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